Alois Huning
Alois Huning
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Alois Huning
Doina Botez, die Künstlerin, aus deren Werk die heutige Ausstellung einen Ausschnitt präsentiert, stammt aus Rumänien und wohnt jetzt seit vielen Jahren in Rom.
Ihre wichtigsten persönlichen und kollektiven Ausstellungen in Rumänien, Italien, der Schweiz, in Tschechien, in Spanien, Rußland, den USA und in Deutschland sind Ihnen aus der Einladungskarte oder aus der Presse bekannt – auch die Ausstellung im Vatikan zu Anfang dieses Jahres, bei der dem Papst ihre Interpretation einer alten rumänischen Ikone überreicht wurde.
Doina Botez ist eine vielseitige Künstlerin, die neben der Malerei auch graphische Arbeiten, Stiche, Buchillustrationen und Zeichentrickfilmarbeiten geschaffen hat. Hier sind es vor allem Werke in Öl und in Mischtechnik.
Schon das deutet die Vielfalt nicht nur ihrer Techniken, sondern auch ihrer Themen an, die von Landschaften -etwa einem wundervoll lichten „Morgen in Ravello” – bis zu Portraits reichen, etwa wenn sie ein Bild betitelt „Come se fossi io”, „wie wenn ich das wäre”.
Diese Ausstellung hier in Wülfrath hat ein einheitliches Thema: „Karneval in Venedig”. Auch wenn Doina Botez in Rom lebt, so meint sie doch in einem Interview im Februar 1995, daß der Karneval erst in Venedig sein wahres Gesicht zeige.
Karneval ist für sie das subtile Spiel mit dem Geheimnisvollen, eine spielerische Welt ohne äußeren Druck, in der die gesellschaftlichen Barrieren überwunden sind oder überwunden scheinen. Karneval ist Fest, Farbe, Ausgelassenheit.
Aber schauen wir etwas genauer hin! Auch bei Doina Botez verleugnet der Karneval nicht das Zwiespältige seiner Herkunft. Das Rheinland ist ja auch eine Hochburg des Karnevals – Karneval ist für uns die Zeit der Ausgelasseuheit und der Fröhlichkeit vor dem Aschermittwoch und der Fastenzeit. Und nach dem Feiern – das Weissman vorher – droht der „Kater”!
Das wird dann mit der Ableitung des Wortes erklärt: „Carne vale” – Fleisch adé! – Abschied vom Fleisch, vom Fleischgenuß, von fleischlichen Freuden, die deshalb vor Beginn der Fastenzeit umso reichlicher genossen werden!
Aber wie in vielen anderen Fällen liegt hier als zweite Quelle etwas Heidnischen zugrunde, das im Christentum umgetauft worden ist – wie bei vielen christlichen Feiertagen, die an die Stelle heidnischer Kulte und Feste getreten sind. Hier werden unter christlichem Deckmantel die heidnischen Winter – und Frühlingsfeste der Saturnalien und Luperkalien fortgeführt. Schon die römischen Saturnalien waren gekennzeichent durch den zeitweiligen Wegfall der Standesgrenzen und durche öffentliche und private Festgelage.
Die Luperkalien im Februar zu unserer Karnevalszeit feierten den Hirtengott Faunus, der oft als Kobold dargestellt wurde, und diese beiden Quellen haben in der Geschichte ihre Wirkung auf die künstlerische Darstellung gefunden. Einerseits wird der freudige Lebensgenuß farbenprächtig dargestellt, andererseits wird dieses überschäumende Leben als heidnisches Teufelswerk verurteilt: die venezianische Maskerade steht auch für Sittenverfall, für Sünde und Laster.
Wie aber steht es mit diesem Sujet, mit dem „Karneval in Venedig” bei Doina Botez?
Ich will jetzt nicht über Impressionismus oder Realismus, oder andere kunstgeschichtliche Bezüge etwa zur rumänischen Tradition oder zur europäischen Moderne nachdenken. Ich erlaube mir eine Interpretation, von der ich hoffe, daß sie nicht allzu viel Widerspruch von der Künstlerin erfährt. Ich habe vor dieser Ausstellung noch gar nicht mit ihr gesprochen, sondern mir nur vor einigen Tagen diese Bilder angeschen. Darum ist diese Interpretation durchaus ein ganz persönliches Wagnis.
Ich bin überzeugt, daß Doina Botez in diesen Bildern den Menschen zeigen will, wie er eigentlich in seinem innersten Wesen ist, wie er sich aber unter Masken und Schleiern zu verbergen sucht, die ihn aber gerade dadurch auch verraten. Sie zeigt real Erscheinendes, das zugleich eine Traumwelt ist, die deshalb als Chiffre gelesen werden muß.
Und demit erlaube ich mir, die Lebensreise der Künstlerin von Rumänien – Romania – über Rom in ein anderes romanisches Land zu verlcngern – nach Spanien, wo der Schriftsteller und Dichter Calderón de la Barca gewissermaßen einen deutenden Untertitel zum „Karneval in Venedig” anbietet.
Sein wohl bekanntestes Werk hat den Titel „La vida es sueno” – Das Leben ist ein Traum. Was uns entgegentritt, ist nur Schein, hinter dem die Wahrheit verborgen bleibt. Gewiß wollte Calderón damit die Eitelkeit des irdischen Scheins anprangern und den Sieg der Vernunft über Instinkte und Leidenschaften fördern. Eine solche moralisierende Haltung ist den Werken von Doina Botez nicht zu entnehmen. Sie ist sicher näher an Boccaccio, der hohe Minne und triebhafte biebe gleichermaßen darstellt, dessen anmutig frohe Darstellung eine weltoffene, fröhliche Lebenshaltung offenbart. Aber es ist der Traum des Lebens, das Leben, welches ein Traum ist, das wahrhaft Menschliche hinter dem Traumbild, in dem es erscheint.
Fröhliche Clownerie, aber manchmal auch melancholische Unsicherheit in der Begegnung, große Leuchtkraft der Farben bei gleichzeitiger schleierhafter Verhüllung, vitale Bewegung, aus der die Schönheit der felernden Menschen leuchtet, aber zugleich auch Licht auf menschliche Unzulänglichkeit, denn der Betrunkene ist nicht mehr schön! Komplizierte Drehungen und Wendungen der Körper werden zum Ausdruck der Gefühle von Eifersucht, Koketterie und Spiel der Verliebten. Die Farben sind warm, perlend, vibrierend, und zugleich leicht und klar wie die Luft an der Adria, mit zarter Sensibilität nachgezeichnet.
Das sind die Themen der Arbeiten von Doina Botez: Personen in der Nacht, die Narrheiten der Nacht, sich treiben lassen, trunken lallend, der Traum, Pulcinellas Traum, Tanzend mit Pullcinella, die Überredung, die Verführung, die Umarmung, das Nachdenken, die Erinnerung.
La vida es suono! Karneval ist eine Traumwelt. In diese Welt entführt uns die Künstlerin. Karneval ist flüchtig und vergänglich. Eros und Thanatos, Blühen und Vergehen, Leben und Tod gehören zusammen. Der Schein hält nicht ewig. Der eitle Auftritt im Karneval ist verbunden mit der Warnung des Weisheitsbuches: Alles ist nur eitler Schein: Vanitas vanitatum vanitas! Aber diesen eitlen Schein, diesen Schein der menschlischen Eitelkeit, das Fest des Karnevals in Venedig, unser Leben als Karneval – das uns vor Augen zu führen in Werken, an deren künstlerischer Perfektion, an Farben und Licht wir uns erfreuen können und die uns zugleich nachdenken lassen, das danken wir der Galerie und vor allem der sympathischen Künstlerin Doina Botez.
Wülfrath, 6.10.1996